Hausmittel
ittwochnachmittag,
kurz nach drei: In der
STEREO-Lesersprech-
stunde glühen dieTelefone.„Hallo Redak-
tion, Ihr müsst mir helfen! Da habe ich ein
kleines Vermögen investiert, und trotzdem
klingt meine Anlage mies.“ Ganz ähnlich be-
ginnen viele Telefonate. Meist vermuten un-
sere Leser den Unbill in einem ihrer Gerate
und erwarten Alternativempfehlungen. Mö-
gen diese Bedenken in einigen Fallen be-
rechtigt sein, stellt sich nach kurzem Ge-
spräch doch oft heraus, dass es an etwas
ganz anderem liegt.
Nur zu gern wird unterschätzt, dass auch
der Hörraum mitspielt. Und zwar so gravie-
rend, dass man ihm mit Recht mehr als den
Status der Komponenten zusprechen darf.
Deutlicher gesagt: Eine 100 000-Euro-Kette
mag toll musizieren, in einem Flugzeughan-
gar spielt sie aber auf genauso verlorenem
Posten wie ein Ghettoblaster im Hallenbad.
Mit einem ganz ähnlichen Effekt werden Sie
„bestraft", wenn Ihre Kette in einem kargen
Raum mit aalglatten Wänden, Parkettboden,
großen Glasflächen und möglichst minima-
listischer Möblierung - wie sie heute im
Trend liegt-aufwartet.
Aber warum befassen sich so wenige HiFi-
Fans mit der Akustik? Einer der Gründe liegt
sicher in der Komplexität des Themas, das
ganze Bücher füllt und als eigener Fachbe-
reich an Universitäten gelehrt wird. Ohne
an dieser Stelle in einen wissenschaftlichen
Fachvortrag abzudriften, ist es doch wichtig
zu wissen, welche grundsätzlichen Faktoren
den akustischen Eindruck eines Raumes -
und w ir meinen damit immer den für HiFi
vorgesehenen „Hörraum“ - entscheidend
beeinflussen. Im Wesentlichen sind dies drei
Dinge:
I.
Nachhall: Eine Schallquelle erzeugt ne-
ben dem Direktschall immer auch Reflexio-
nen, die sich je nach Laufzeit oder Beschaf-
fenheit des Hörraums unterschiedlich aus-
wirken. Räume mit kurzen Nachhallzeiten
empfinden w ir als „trocken“ , solche mit län-
geren erzeugen diffusen Klang.
2. Raummoden: Durch das Zusammen-
wirken von Wellenlängen und Raumabmes-
sungen kommt es in jedem Raum zu lokalen
Überlagerungen oder Auslöschungen von
Frequenzen. Diese können moderat ausfal-
len, den Klangeindruck aber auch nachhaltig
beeinträchtigen.
Allerdings
bietet
das
„Spiel" mit Raummoden großes Potenzial
für Aha-Erlebnisse. Schon so manches Mal
haben sich durch bloßes Verschieben der
Boxen oder des Hörplatzes (vor allem
durch Distanzänderung zwischen beiden)
problembehaftete Zimmer in angenehme
Musikräume verwandelt.
3.
Absorption:Anregungsfreudige Materia-
lien entziehen dem Raum
Energie. Be-
sonders auffällig kommt dieser Effekt bei
großen Fensterflächen zum Tragen, die den
Schall nicht nur unkontrollierbar reflektie-
ren, sondern tiefe Schwingungen aufneh-
men und so für ein Loch in der Basswieder-
Ein ganz wichtiges Ele-
ment ist das „Anlage-
Raum-Verhältnis": Eine so
opulente Box wird in
einer .Besenkammer*
immer unter ihren Mög-
lichkeiten bleiben II.), ge-
bremst und dröhnig
spielen. Für kleine Räume
sind deshalb Kompakt-
lautsprecher oft die deut-
lich bessere Wahl (r.)
Raummoden
Die Problemfrequenzen im Bass gibt der
Raum durch seine Abmessungen vor
I n einem rechteckigen Raum hat man es vor
I allem mit drei ausgeprägten Resonanzen,
den so genannten Raummoden (eigentlich
Raummodi) zu tun, nämlich den in der Wellen-
länge vor allem dem Doppelten und Vierfa-
chen der Wandabstände (Länge, Breite, Hö-
he) entsprechenden Frequenzen, die - hin
und her geworfen - zu den potentiell be-
sonders störenden stehenden Wellen wer-
den. Man unterscheidet Longitudinal-, Tan-
gential- und Diagonalwellen, von denen aber
in erster Linie die (axialen) Longitudinalwel-
len von Bedeutung sind. Diese Raummoden
sorgen zudem für eine ungleichmäßige Bass-
verteilung im Raum. Das ist übrigens auch der
Grund dafür, dass mehrere schwächere,
unterschiedlich positionierte Schallentste-
hungszentren besser funktionieren als eines
mit voller Intensität, also zwei Subwoofer in
aller Regel zu einem homogeneren Bass füh-
ren als einer und ein beidseitig abstrahlender
Dipol einem konventionellen Sub überlegen
ist
Wohl dem, der sich einen Raum aussuchen
kann. Quadratische Querschnitte oder gar
würfelförmige Räume sind für eine hochwer-
tige Wiedergabe denkbar ungünstig, da hier
neben den ersten Reflexionen auch der
Nachhall dieser Frequenzen potenziert auf-
tritt. Auch Räume mit einem Seitenverhältnis
von ganzzahligen Vielfachen, also beispiels-
weise 2,5 m Höhe, 5 m Breite und 7,5 m Länge,
bieten eine schlechte Ausgangssituation.
Suboptimal sind natürlich auch-vor allem für
Standboxen - sowohl kleine als auch riesige
Räume mit niedrigen Decken, während mittel-
große Räume mit ungleichen Längen, leich-
ten Asymmetrien und leicht schiefen Winkeln
als Ausgangssituation optimal sind.
Das betrifft den Bass, der zudem von der Kon-
sistenz der Wände bestimmt wird. Massive
Mauern halten den Tieftonanteil im Raum,
während Verschalungen etwa aus Gipskar-
ton oftmals ähnlich einem Plattenabsorber
dem Bass zur Flucht verhelfen, ihn geradezu
absaugen, auch vorsätzlich. Womöglich ideal
wäre ein Mittelding, etwa Bims, stabil und
hohl zugleich. In den USA sind die Wände oft-
mals dünn und die Räume groß, deshalb ha-
ben amerikanische Boxen manchmal eine be-
sonders kräftige Basswiedergabe. Das ist
hierzulande entbehrlich. Bei starker Bass-
überhöhung hilft eine individuell abgestimmte
Bassfalle, die - im Prinzip Bassreflex rück-
wärts - der Raummode Energie entzieht und
sie so bedämpft oder ein Platten- oder Mem-
branabsorber, der quasi durch gegenphasige
Schwingung dasselbe bewirkt (www. mba-
kustik.de). Denkbar ist aber auch die in der
Praxis häufig zu beobachtende Abhilfe mittels
Absorbern, vor allem in den Raumecken.
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